Zwei syrische Kinder fanden eine Herberge

Syrische Familie in Göttweig

Wie im Stift Göttweig Mönche und muslimische Bosnier einer christlichen Flüchtlingsfamilie aus Syrien Hoffnung geben.

Zwei Kinder zischen dick eingepackt über den Göttweiger Stiftsinnenhof. Der Wind pfeift über den Klosterberg und die Wiesen sind weiß angezuckert. Perla und Peter treten schnell durch die schwere Holztür ein, um sich von den Minusgraden aufzuwärmen. Das Mädchen ist 10, der Bub 9 Jahre alt. Für die Kinder aus Syrien war es der erste richtige Schnee. Anfang Dezember fanden sie im Stift Göttweig mit ihrer Mutter Talin, Tante Josephine und Großmutter Marine eine Herberge.

„Im Oktober sind wir nach Traiskirchen gekommen“, erzählt Mutter Talin. „Wir sind sehr froh, dass wir diese Wohnung im Kloster bekommen haben.“ Im Wohnzimmer steht ein Weihnachtsbaum, denn sie sind Christen. Perla und Peter besuchen seit einigen Wochen die dritte Klasse Volksschule im Furth, am Fuße des Göttweiger Stiftsberges.

In der Freizeit spielen sie gerne Uno, Pater Pius brachte ihnen dieses Kartenspiel bei. Er begleitet die Familie, übernimmt Fahrdienste und dolmetscht zwischen Französisch und Deutsch. Großmutter Marine sitzt im Rollstuhl am Fenster und blickt zur Stiftskirche hinauf. Sorge überschattet ihr Gesicht: Ihr Sohn und Vater der Kinder lebt noch immer als Christ höchstgefährdet in Syrien.

Kriege, Flucht und Zuflucht

Der heutige Abt Columban Luser hatte 1992 die Klostergemeinschaft überzeugt, die Tore des Klosters für 40 Flüchtlinge des Balkankrieges zu öffnen: „Für mich war es eine Selbstverständlichkeit, weil meine Eltern im Zweiten Weltkrieg flüchten mussten. In Krisensituationen hat das Stift Göttweig immer eine Herberge angeboten: Ungarn, Polen, Balkan und jetzt Syrien.“

Heimat Göttweig

Für die Familie von Senada Bajric endete im August 1992 die Flucht vor dem Balkankrieg in Göttweig. Senada, eine von 40 Flüchtlingen im Stift, war damals 13 Jahre alt. Sie erinnert sich gut an die Gruppe junger Benediktiner, die mit ihnen Deutsch lernten und Ausflüge unternahmen. Heute ist die Bosnierin, eine Muslimin, 36 Jahre alt und arbeitet in Wien als Dolmetscherin. Ihre Eltern leben bis heute im Stift: Mutter Behidza arbeitete über viele Jahre im Exerzitienhaus, Vater Sejdo als Hausmeister. Für die ganze Familie ist klar: „Göttweig ist unsere Heimat.“

Die Situation der Familie Bajric anno 1992 ähnelt jener der syrischen Familie, die jetzt vom Stift aufgenommen wurde. So herzlich, dass sie mit der Hausgemeinschaft Weihnachten feierte. Abt Columban berichtet: „Perla und Peter sangen uns ein syrisches Weihnachtslied.“ Und eine andere Begegnung hat den Abt tief beeindruckt: „Das Ehepaar Bajric ging zur syrischen Familie und sagte: ‚Wir waren in der gleichen Situation.‘“ Für Abt Columban: ein Hoffnungswort.

(Erschienen am 22. Jänner 2015 in den Kirchenzeitungen der Diözesen Eisenstadt, Feldkirch, Innsbruck und Linz)