Schwestern und Brüder im Glauben! Heute ist der Sonntag der göttlichen Barmherzigkeit. Jesus nennt in der Heiligen Schrift verschiedene Werke der Barmherzigkeit, zum Beispiel Hungrige speisen, Fremde aufnehmen oder Gefangene besuchen (vgl. Matthäus 25,31ff.). Wir könnten jetzt sagen: Um die Hungrigen kümmert sich der Staat durch die Mindestsicherung, um Fremde die Caritas und Gefangene kenne ich keine. Eine allzu schnelle Antwort wäre dann: Die Werke der Barmherzigkeit aus der Bibel betreffen mich gar nicht.
Papst Johannes Paul II. hat im Jahr 2000 den Barmherzigkeitssonntag auf den ersten Sonntag nach Ostern gelegt. Vielleicht, um uns am Eingang ins dritte Jahrtausend zu sagen: Die Botschaft Jesu ist Barmherzigkeit! Gott ist Barmherzigkeit! Und verbunden mit dem Wunsch: Christinnen und Christen soll man an ihrer gelebten Barmherzigkeit erkennen. Doch was bedeutet es barmherzig zu sein und zu handeln?
Barmherzigkeit kommt vom lateinischen „Miseri-cordia“, ein Herz für die haben, die in Not sind. Bischof Joachim Wanke, früherer Bischof von Erfurt, formulierte sieben neue Werke der Barmherzigkeit. Sie sind einfach formuliert und konkret: (1) Du gehörst dazu, (2) Ich höre dir zu, (3) Ich rede gut über dich, (4) Ich gehe ein Stück mit dir, (5) Ich teile mit dir, (6) Ich besuche dich und (7) Ich bete für dich. Ich möchte jetzt drei herausnehmen und gemeinsam mit Ihnen über sie nachdenken.
(1) Du gehörst dazu: Dazugehören – wie sehr wünscht sich das jeder von uns: als Baby in der Familie, als Kind in der Schulklasse, als Erwachsener am Arbeitsplatz. Wenn wir uns wertgeschätzt fühlen und Vertrauen da ist, dann geht es uns gut. Nur dann können wir das Beste aus uns herausholen. Letztens habe ich eine Studie gelesen, die Google durchgeführt hat mit der Frage, was es braucht, damit Menschen in Teams gut arbeiten. Und an erster Stelle steht: Vertrauen!
In der Apostelgeschichte haben wir vom Ideal der ersten christlichen Gemeinde gehört: „Sie waren ein Herz und eine Seele“ und „sie hatten alles gemeinsam“ (Apostelgeschichte 4,32). Wenn wir als Pfarrgemeinde am Sonntag versammelt sind, dann müssen wir uns als Gemeinde die Frage stellen, inwiefern wir dieses Werk der Barmherzigkeit leben.
Ein einfaches Beispiel: Wahrscheinlich geht es vielen von Ihnen genauso wie mir. Man kommt nach dem Gottesdienst auf den Kirchplatz hinaus und spricht sofort mit den Leuten, die man gut kennt. Viel schwieriger ist es auf eine Person zuzugehen, die ich noch nicht kenne. Doch wenn wir das tun, dann sagen wir einander „Du gehörst dazu“. Und dann wächst der Zusammenhalt und das Vertrauen in der Pfarrgemeinde und Neue fühlen sich willkommen.
(3) Ich rede gut über dich: Letzte Woche hat mir jemand aus der Pfarre beim Vorbereiten der Kirche für Ostern von einem Salesianer erzählt, der bereits verstorben ist. Von ihm sei beim Begräbnis gesagt worden: „Er hat nie schlecht über andere geredet.“ Ich finde, ein größeres Lob gibt es fast nicht. Wie schön wäre das, wenn das über jeden von uns auch gesagt werden könnte.
Wie groß ist die Versuchung, die Schuld beim anderen zu suchen oder einfach ein bisschen über andere zu lästern. Papst Franziskus wiederholt es oft: Schlecht reden und jammern zerstört die Beziehungen und die Gemeinschaft. Ein kleiner Schritt in diese Richtung könnte sein, sich eine Person herauszunehmen, mit der ich mir schwer tue und bei der mir das Schlechtreden immer wieder passiert. Wenn ich über diese Person gut rede, dann verändert sich meine innere Haltung. Dann fällt es mir leichter, über alle Menschen gut zu reden.
(7) Ich bete für dich: Ich frage mich immer wieder, was bei den Aposteln zu Ostern passiert ist. Im Evangelium haben wir gehört, dass sie „aus Furcht vor den Juden die Türen verschlossen hatten“ (Johannes 20,19). Nur wenige Tage oder Wochen später legten sie mit großer Kraft Zeugnis ab von der Auferstehung Jesu (vgl. Apostelgeschichte 4,33). Aus „Angsthasen“ sind mutige Zeugen geworden.
Der entscheidende Punkt ist die persönliche Erfahrung mit Jesus, dem Auferstandenen, wie bei Thomas und den anderen Aposteln. Sie sind dem Auferstandenen begegnet und haben ihr volles Vertrauen auf ihn gesetzt. Es ist ein Geschenk Gottes, wenn auch wir diese Erfahrung machen dürfen: Jesus ist wirklich auferstanden, Jesus hat den Tod besiegt, Jesus hat uns von Tod und Sünde erlöst.
Es passiert oft, dass wir in unseren Sorgen nicht mehr weiterwissen, rein menschlich sehen wir kein Weiterkommen. Aus der Erfahrung der Auferstehung heraus dürfen wir alles zu Gott bringen. Jeder von uns kennt Menschen, die gerade in großer Not sind und die die Hilfe und Kraft der Auferstehung besonders brauchen. Ich habe es mir angewöhnt, bei der Gabenbereitung bestimmte Personen in Gedanken zum Altar zu bringen und Gott um Hilfe und Wandlung zu bitten. Im Gebet für andere Menschen liegt eine große Kraft.
Liebe Schwestern und Brüder im Glauben! „Seid barmherzig, wie auch euer Vater barmherzig ist!“ (Lukas 6,36), hat uns Jesus aufgetragen. Papst Franziskus spricht oft von Barmherzigkeit und hat einmal gesagt: „Überall wo Christen sind, muss ein jeder Oasen der Barmherzigkeit vorfinden können.“ Bitten wir den Herrn um die Gnade, dass unsere Familie, Gruppen, Gemeinschaften und wir als ganze Pfarrgemeinde immer mehr solche Oasen der Barmherzigkeit werden! Amen.
Weiterführende Materialien: https://www.kath-kirche-vorarlberg.at/themen/jahr-der-barmherzigkeit/sieben-neue-werke-der-barmherzigkeit
(2. Sonntag der Osterzeit B, Barmherzigkeitssonntag, 8.4.2018, die verwendeten Stellen aus der Heiligen Schrift: Apostelgeschichte 4,32-35; Johannes 20,19-31)
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