Gespräch mit Bischof Stefan Oster über Kirche, Jugend und Journalismus
Am 24. Mai wurde Pater Stefan Oster im Passauer Dom zum Bischof geweiht. Journalist, Clown, Salesianer, Priester und Theologieprofessor – das steht in der Biografie des heute 48-Jährigen. Und was ist er sonst noch?
Jemand twittert via Handy: „Wer ist Stefan Oster?“ Was schreiben Sie in dieser Kurzform zurück?
Ein Suchender und Fragender – vor allem nach Wahrheit; einer, der ein Jünger Jesu sein will, aber auch ein armer Sünder ist; einer, der Menschen mag, besonders junge.
Nach der Matura arbeiteten Sie als Journalist. Was hat Ihnen im Medienjob gefehlt, dass Sie ihn aufgaben?
Als Journalist ist man immer eine Art Secondhander und berichtet über Dinge, die andere tun. Natürlich muss es Vermittler geben, aber ich hatte die Sehnsucht nach größerer Unmittelbarkeit und Sinnerfahrung, die mir der Beruf alleine nicht gab. Heute profitiere ich von meiner Ausbildung. Den Umgang mit Wort und mit Menschen habe ich dort gelernt.
Sie waren Clown und Jongleur. Was kann ein Bischof von einem Clown lernen?
Wenn jemand meine letzte Clown-Nummer gesehen hat, weiß er, dass es im Kern um die Verkündigung des Evangeliums geht. Ich hatte in meiner Jugendzeit schon etwas Ähnliches gemacht, mit anderen Inhalten. Als Salesianer dachte ich dann: das geht auch mit dem Evangelium. Ich hoffe jedenfalls, dass es mir auch als Bischof gelingt, originelle Weisen der Verkündigung des Evangeliums zu finden. Freilich möchte ich nicht originell um der Originalität willen sein, das wäre etwas Gemachtes. Wenn man authentisch ist, dann ist man automatisch originell.
„Der Sieg der Wahrheit ist die Liebe“ lautet Ihr Wahlspruch. Was wollen Sie kommunizieren?
In der Kirche neigen wir dazu, in zwei Lager auseinander zu driften, die sich gegeneinander ausspielen. Sehr holzschnittartig gesagt, gibt es die Konservativen und die Progressiven. Nur die abstrakte Wahrheit verkündet, in der die Liebe nicht gegenwärtig ist, tendiert zu etwas Abstraktem und manchmal sogar Grausamem. Nur Liebe allein, die nicht schaut, ob wahr ist, was sie tut, tendiert zur Beliebigkeit und hintergründigen Egoismen. Wir brauchen die Versöhnung von beidem und das ist letztlich Heiligkeit.
„Krise, Krise!“, tönt es nicht nur aus den Medien, wenn es um die katholische Kirche geht. Was setzen Sie dieser lähmenden Grundstimmung entgegen?
Der erste Satz von Evangelii Gaudium, dem Lehrschreiben von Papst Franziskus, heißt: „Die Freude des Evangeliums erfüllt das Herz und das ganze Leben derer, die Jesus begegnen.“ Die Begegnung mit Jesus ist für mich zentral. Es geht nicht nur um das Evangelium im Sinne von Nachrichten, sondern um lebendige Begegnung mit dem Herrn. Meine persönliche Erfahrung ist, dass diese Begegnung wirklich froh macht und erfüllt. Ich möchte Menschen helfen, Erfahrungsräume zu erschließen, in denen sie wirklich Jesus begegnen und aus der Freude leben. Der Glaube verbreitet sich nicht durch schlaue Programmschriften, auch nicht durch Öffentlichkeitsarbeit oder gar Propaganda. Der Glaube vermehrt sich, indem Menschen angezogen werden von der Gegenwart Gottes.
Mit Papst Franziskus weht ein neuer Wind durch die katholische Kirche. Was hat er, was andere nicht haben?
Bei Franziskus sind bestimmte Akzente spürbar, die er sehr deutlich setzt. Offensichtlich hat er keine Angst, auf die Menschen zuzugehen. Er hat eine sehr spontane und herzliche Art, die begeistert. Vielleicht ist es dieser christliche Freimut, von dem zum Beispiel die Apostelgeschichte oft spricht.
Welche Qualitäten sollten Journalistinnen und Journalisten haben, die sich als Christen verstehen?
Sie sollten den Mut haben, zu ihren Überzeugungen zu stehen und ihren Glauben auch dort zu bezeugen, wo es vielleicht vordergründig ungelegen ist. Journalisten, die sich als Christen verstehen, sollten auch betende Menschen sein. Dann wächst das Vertrauen, dass man vom heiligen Geist geführt wird. Das wäre eine sehr schöne Eigenschaft von christlichen Journalisten und sie macht widerstandsfähiger gegen den so genannten Zeitgeist.
Wie halten Sie es mit Social Media?
Ich habe Facebook, meine Seite aber nie besonders gepflegt. Jetzt bekomme ich hunderte Freundschaftsanfragen und ich überlege einen geeigneten Weg mit der Pressestelle des Bistums. Ich merke, dass es viele Leute anspricht, wenn der Bischof sich über diese Weise einbringt. Ich werde das sicherlich weiter machen, wobei aber Social Media nicht meine Hauptform der Kommunikation ist.
Sie sind Salesianer Don Boscos mit viel Erfahrung in der Jugendarbeit. Wenn ein Jugendlicher zu Ihnen sagt: „Gott gibt es nicht!“, was antworten Sie ihm?
Das kann ich nicht generell beantworten, weil ich auf den Jugendlichen schauen würde, um zu verstehen, von welchem Hintergrund er kommt. Ist es, weil er keinen Vater erlebt hat, weil er an der Welt verzweifelt oder weil er ein scharf denkender, analytischer Mensch ist? Es gibt keine generelle Regel, wie man antwortet. Man muss den einzelnen Jugendlichen zu verstehen versuchen und dann den Punkt finden, wo er ansprechbar ist.
Was braucht es, damit junge Menschen den Glauben an Gott als etwas Wertvolles in ihrem Leben erfahren?
In den letzten zwei Jahren habe ich mit jungen Leuten aus Benediktbeuern eine Erfahrung machen dürfen, die mir viel hilft und einen Blick in die Zukunft eröffnet. Plötzlich entdecken junge Menschen die Schönheit des Gebets. Sie merken: „Das ist etwas Gutes und ich wachse.“ Auch ein Ringen um den Glauben erleben sie. Wichtig ist auch, die Fragen der jungen Menschen ernst zu nehmen, sie abzuholen, wo sie stehen und sie nicht gleich mit fertigen Resultaten des Glaubens zu überfordern. Und wenn man Geduld hat, hörend bleibt, aber zugleich authentisch, dann kommen Jugendliche nach meiner Erfahrung oft auf den Gedanken: „So blöd ist das gar nicht, da steckt schon etwas dahinter.“ Und: „Gott hat Interesse an mir.“
Danke für das Gespräch.
(Das Interview erschien in Auszügen in der Linzer Kirchenzeitung vom 5. Juni 2014)