„Ich will ein Agent des Wandels sein“

Johannes Kaup

Woran glauben Sie? Diese Frage stellt ORF-Journalist Johannes Kaup in der Ö1-Sendereihe „Logos“ vielen Persönlichkeiten. Mutmacher, Afrikaforscher, Diasporakatholik: All das beschreibt Johannes Kaup. Ein Porträt über einen Journalisten, der Tiefe und Wandel sucht.

„Ich bin immer auf der Suche nach Menschen, Bewegungen und Phänomenen, die visionär sind, die einen Unterschied machen in unserer Welt.“ So beschreibt Johannes Kaup, was ihn in seinem journalistischen Tun antreibt. Lässig sitzt er da und isst spätabends im Gasthaus noch etwas Deftiges. Vor einer Stunde war der 48-Jährige mit ORF-Kollegen beim wöchentlichen Fußball-Kick. „Im Sommer gehe ich auch gerne Bergsteigen.“

Er nimmt einen Schluck Bier und erzählt weiter. Sein Gesichtsausdruck ist offen, dazwischen erschallt ein herzhafter Lacher. Das Zuhören fällt leicht, wenn er Geschichten erzählt. Vielleicht liegt es daran, dass er auch Psychotherapeut ist. 2004 schloss er eine mehrjährige Ausbildung nach der Daseinsanalyse ab, übt den Beruf aber derzeit nicht aus: „Das wäre ein zweites Standbein.“

Geprägt von DDR und Christentum
Johannes Kaup hat mittlerweile fertig gegessen und erzählt weiter. Die Kindheit in der DDR habe ihn sehr geprägt. 1965 in Magdeburg geboren, erfährt seine Familie immer wieder Ausgrenzungen, weil sie zur katholischen Minderheit gehören: „Katholische Kinder hatten damals keine Chance, eine Universität zu besuchen.“ Kaup siedelt 1969 mit seiner Familie nach Salzburg um und findet ab 1970 in Wien ein neues Zuhause. Im 15. Gemeindebezirk geht er aufs Gymnasium, das er 1984 mit der Matura abschließt.

Aufgrund der DDR-Erfahrung habe für ihn „Religion immer etwas Politisches“, doch im freien Wien sei er enttäuscht gewesen über so manche Bequemlichkeit und Selbstgerechtigkeit. Johannes Kaup ist schon als Jugendlicher klar: „Ein Christ engagiert sich in der Welt und auf der Seite der Menschen.“ Die Friedensvespern im Stephansdom mit der Journalistin Dolores Bauer sind ihm in Erinnerung geblieben: „Sie hat Partei ergriffen und war gleichzeitig transparent, was sie so glaubwürdig machte. Sie war ein Vorbild für mich.“ Schmunzelnd fügt Kaup hinzu: „Jeden Morgen vor der Schule bin ich zum Gebet hingefahren. Das war schon heftig.“

Suchen, was den Unterschied macht
Nach der Matura studiert Johannes Kaup Theologie und beginnt 1990 beim ORF-Radio in der Abteilung Religion, wo er bis heute tätig ist. Neben Glaube und Religion interessieren ihn Zukunftsthemen: „Mit der ökosozialen Marktwirtschaft oder neuen politischen Partizipationsformen habe ich mich befasst und Sendereihen gestaltet“, erzählt er. Es sind Themen, die sich mit „Wandel zum Besseren“ beschäftigen. Wenn er spricht, ist seine Stimme ruhig, fast bedächtig. Wandel ist ein wichtiges Wort für Johannes Kaup. Mit seiner journalistischen Arbeit möchte Kaup „Mut machen“. Dass viel Mutmachendes existiert, weiß er aus eigener Erfahrung: „Es ist unglaublich viel, doch oft fehlen die Netzwerke. Ich will ein Agent des Wandels sein.“

Auf die Frage, was sein journalistisches Herzensprojekt bei unbegrenztem Budget wäre, antwortet er ohne lange nachzudenken: „Ich würde Afrika aus der Perspektive der Afrikaner darstellen. Ich würde mit den Leuten längere Zeit leben und wissen wollen, wie sie die Welt sehen und was sie für Entwicklung brauchen. Ich bin mir sicher, die Welt würde sich anders anfühlen, wenn ich dort die Lebensrealitäten
sehe.“

Aufklärer und Fragensteller
Johannes Kaup sieht sich nicht als klassischer Journalist, der von Ereignissen
berichtet. Im aktuellen Dienst zu arbeiten, könnte er sich nicht vorstellen: „Durch die heutige Schnelligkeit können nur kleine Spitzen einer Sache sehr verdichtet dargestellt werden.“ Eine differenzierte Auseinandersetzung sei nicht möglich und man tue den Menschen Unrecht. Kaup versucht, Hintergründe aufzuzeigen und die Fragen und Motive hinter Konflikten zu bearbeiten: „Wenn wir die Vielfalt unserer Welt erhalten wollen, müssen wir diese Vielfalt beschreiben. Das ist ein Dienst der Aufklärung.“

In die Weite und Tiefe will der Journalist Johannes Kaup gehen, das wird im Gespräch deutlich. Kaup betont, dass Sprache jeden gesellschaftlichen Diskurs bestimmt: „Für Europa kann ich vieles sagen: Bürokratiemonster, Transferunion, Familie, Solidarunion oder Friedensprojekt.“ Die generierten Bilder prägen sich ins Denken ein. Es sei Aufgabe des Journalisten, unterschiedliche Sichtweisen sprachlich sensibel aufzuzeigen. Johannes Kaup versucht es in seinen Beiträgen mit großer Sorgfalt.

„Ich erinnere mich gut an Liedermacher Konstantin Wecker und Schriftsteller Ilija Trojanow“, erzählt Johannes Kaup. Der ORF-Hörfunkredakteur befragt seit 1997 Persönlichkeiten zu Sinn und Wahrheit, Mensch und Transzendenz. „Mit dem Philosophen Konrad Paul Liessmann hatte ich ein kontroverses Gespräch“, erinnert sich der Journalist und fährt fort: „Für mich sind Gespräche über Nicht-Glauben oder Anders-Glauben eine wichtige Lernerfahrung.“ Schauspielerinnen, Quantenphysiker, Ordensfrauen oder Manager: Bereits 200 Menschen interviewte Johannes Kaup für diese Sendereihe. Menschen, die sich im Gespräch von ihrer persönlichen Seite zeigen, im Suchen und Ringen, im Zweifeln und Weitergehen. Viele Hörerinnen und Hörer sind dankbar dafür.

Brückenbauer und Visionär
Johannes Kaup blickt immer wieder in die Ferne, wenn er von Wandel und Visionen spricht. Seine Stimme ist klar, die Worte bewusst ausgewählt. Es ist spürbar, dass er seine journalistische Arbeit gerne und mit Elan macht. Für die Qualität seiner Arbeit erhielt er 2012 den „Dr.-Karl-Renner-Publizistikpreis“ in der Kategorie Radio. Die Laudatorin sagt über ihn: „Kaup ist ein Mann, der sich nicht nur als Journalist, sondern viel mehr noch als Brückenbauer versteht – das heißt, es geht ihm nicht nur darum, über Zeitgeschehen zu informieren, sondern auch darum, Mediator, vielleicht sogar Visionär zu sein.“

Kaup stellt leidenschaftlich gerne Fragen. Auf die Frage einer Selbstbeschreibung in Twitterlänge antwortet er tiefsinnig: „Im Kampf für eine enkeltaugliche Welt zusammen mit Leuchttürmen des Wandels, getragen vom Geheimnis.“

(Erschienen in Schottengasse 4/2014)