Liebe Schwestern und Brüder im Glauben! Lieber Erstkommunionkinder!
„Tut dies zu meinem Gedächtnis“ hören wir in jeder Heiligen Messe bei der Wandlung von Brot und Wien. „Tut dies zu meinem Gedächtnis“ heißt es heute zwei Mal in der Lesung aus dem ersten Korintherbrief (vgl. 1 Kor 11,23-26). Jesus wünscht sich beim letzten Abendmahl, dass wir weiterhin an ihn denken und uns an ihn erinnern.
Ich habe zwei Gegenstände mitgebracht, die mich an etwas – oder besser an jemanden – erinnern:
- Das erste ist eine Stola, die auf den ersten Blick sehr abgenützt und alt ausschaut. Sie stammt von einem Priester, der Freund meiner Familie war und gestorben ist, als ich in der Volksschule war. Warum schaut die Stola so alt und etwas zerrissen aus? Weil dieser Priester mit dieser Stola tausende Beichten gehört hat, denn er war ein großer Beichtpriester. Materiell ist diese Stola nicht viel Wert, aber wenn man die Geschichte dazu kennt, bekommt sie einen riesengroßen Wert. Nicht das Materielle oder Äußerliche ist bei einem Erinnerungsstück entscheidend, sondern der innere Wert.
- Das zweite ist ein Foto, wie es sicherlich viele von euch als Erinnerung an liebe Menschen haben. Auf diesem Foto sind meine Oma, mein jüngerer Bruder und ich beim Ausflug, den wir drei Brüder ihr zum 90. Geburtstag geschenkt haben. Meine Oma ist vor eineinhalb Jahren mit 99 Jahren verstorben. Fotos lassen Erinnerungen an liebe Menschen wach werden.
Die Stola und das Foto sind Beispiele für alltägliche Dinge, die für mich einen besonderen Wert haben. Sie halten meine Erinnerung an liebe Menschen wach. Ich denke, auch jedem von euch fallen solche Beispiele ein. Wir könnten uns fragen: Was wäre, wenn wir gar keine Erinnerung hätten? Wenn alles Vergangene vergessen und gelöscht wäre? Warum brauchen wir die Erinnerung so dringend? Mir sind drei Dinge gekommen, warum die Erinnerung bzw. das Gedächtnis so wichtig sind:
- Erinnerung gibt Sicherheit. Aus der Erinnerung weiß ich, dass diese Person mich mag, mir wohlgesonnen und verlässlich ist. Freundschaft baut auf der Sicherheit der gemeinsamen Erfahrungen auf. Freundschaft hält eine zeitweise Trennung aus, weil jeder mit großer Sicherheit weiß: Der oder die andere mag mich und lässt mich nicht fallen. Sie kennen das sicher: Auch wenn ich einen guten Freund, eine gute Freundin über Monate nicht gesehen habe, kann ich im Gespräch dort anknüpfen, als wäre es gestern gewesen.
- Erinnerung gibt meinem Leben eine Richtung und ist wichtig bei Entscheidungen. Entscheide ich so oder so? Auf welche Erfahrungen stütze ich meine Entscheidung? Jeder kennt die goldene Regel „Was du nicht willst, dass man dir tut, das tu auch keinem andern“. Wenn ich positive Erfahrungen mit der goldenen Regel gemacht habe, dann handle ich danach. Im heutigen Evangelium wäscht Jesus als Meister seinen Jüngern die Füße (vgl. Joh 13,1-15). Nach dem Beispiel Jesu zu leben heißt, mich klein machen. Nach dem Beispiel Jesu zu leben heißt, nicht nur auf Augenhöhe zu gehen, sondern mich sogar noch kleiner zu machen und zu dienen.
- Erinnerung schenkt Hoffnung. Jeder kennt Momente, in denen das Leben schwer ist, z.B. in Streit, Leid oder Misserfolg. Woraus schöpfe ich dann neue Kraft und was schenkt mir Zuversicht? Am Leben Jesu erkennen wir, dass auch er durch alle menschlichen Situationen gegangen ist und Konflikt, Verurteilung und Leid am eigenen Leib erfahren hat. Was er dabei nie verloren hat, ist die Hoffnung, dass Gott alles zum Guten wendet. Gott ist treu. Gott schaut auf seine Kinder. Die Erinnerung an den Bund Gottes mit uns schenkt Hoffnung.
„Tut dies zu meinem Gedächtnis“ sagt Jesus beim letzten Abendmahl kurz vor seinem Leiden und Tod. Jesus lädt uns ein, ihn in Erinnerung zu behalten. Die Erinnerung an Jesus wach zu halten geht auf vielerlei Weise. Zwei besondere Wege habe ich genannt. Das eine ist jede Heilige Messe. Unsere Gaben Brot und Wein werden verwandelt in seinen Leib und sein Blut. Dabei werden Leiden, Tod und Auferstehung Jesu neu lebendig, denn er hat es für uns alle getan. Das andere ist das Nachahmen der Haltungen und Taten Jesu, z.B. indem ich anderen Menschen diene, wie es Jesus in der Fußwaschung getan hat.
Liebe Schwestern und Brüder im Glauben! Die Erinnerung ist etwas Wichtiges für jeden von uns: Es ist die Erinnerung an liebe Menschen und die Erinnerung an die Großtaten Gottes für uns alle. „Tut dies zu meinem Gedächtnis!“ sagt Jesus zu seinen Jüngern. Erinnerung gibt Sicherheit, weist dem Leben eine Richtung und schenkt Hoffnung. Lasst uns mit neuer Kraft aus dieser Erinnerung heraus leben. Amen.
(Messe vom letzten Abendmahl am 18. April 2019, Pfarre Großmugl, verwendete Stelle aus der Heiligen Schrift: 1 Korinther 11,23-26 und Johannes 13,1-15, Bild: (c) Unsplash/Joanna Kosinska)