Was sind meine „fünf Brote und zwei Fische“?

commons.wikipedia.org/Berthold Werner

Liebe Schwestern und Brüder in Christus!
Wir waren nicht dabei, als die 5000 gespeist wurden. Doch irgendwie klingt diese Geschichte und auch die Lesung mit den Gratislebensmitteln (vgl. Jesaja 55,1) fern von unserer Realität. Wir wissen: So einfach bekommen wir unseren Lebensunterhalt nicht geschenkt. Wir müssen für alles bezahlen und für unser täglich Brot hart arbeiten und verdienen scheinbar doch zu wenig. Bei nicht wenigen Menschen wird das Geld am Ende des Monats knapp, um alle in der Familie zu versorgen.

Und dann kennt jeder die Versprechungen wie ein E-Mail mit dem Betreff „Du hast beim Gewinnspiel gewonnen“. Solchen Ankündigungen glauben wir gar nicht mehr. Irgendwie ist es ein gutes Gefühl, vom selber verdienten Geld zu leben, unabhängig zu sein. Keinem wird etwas geschenkt. Manchmal muss ich meine Ellbogen einsetzen, um mich durchzusetzen. So scheint unsere Gesellschaft zu funktionieren. Was hat uns also diese Wundergeschichte Jesu zu sagen?

Für mich ist der Dialog zwischen Jesus und den Jüngern sehr aufschlussreich. Jeder kennt das: Immer wieder wird mein vertrauter Alltag – scheinbar – von außen gestört. Da kommt von irgendwo ein Hilferuf, eine Bitte oder ein Schicksalsschlag. Wie reagiere ich dann? Im Evangelium von heute sehen wir zwei Möglichkeiten: (1) Da ist einmal der Weg der Jünger. Sie haben für alles eine gute Ausrede. „Der Ort ist abgelegen.“ (Matthäus 14,15). Ja stimmt! „Es ist schon spät geworden.“ (ebd.) Ja stimmt auch! Und ihre Schlussfolgerung: „Schick die Leute weg.“ (ebd.). Oder (2) der Weg Jesu, der sagt: „Gebt ihr ihnen zu essen!“ (Matthäus 14,16). Also: Tut, was ihr könnt! Auch wenn es nur wenig ist, aber tut es! Die Jünger wollen sich vorbeidrücken an den Sorgen und Nöten der Mitmenschen um sie herum. Vielleicht haben sie sich auch schlichtweg überfordert gefühlt.

Das Spannende ist: Gott ergänzt, ja vervielfacht sogar das wenige, das die Jünger einsetzen. Ich hoffe, dass jeder schon so eine Erfahrung gemacht hat. Spontan fällt mir meine Rückkehr nach Fulpmes im letzten Sommer ein. Einige Monate davor hatte mein Provinzial zu mir gesagt: „Wir suchen jemand für Fulpmes. Kannst du dir das vorstellen?“ Ich konnte es mir nur schwer vorstellen. Ich hatte Angst, ob meine „fünf Brote und zwei Fische“ reichen, ob ich der Aufgabe gewachsen bin. Jetzt ein Jahr später kann ich sagen: Gott hat vieles ergänzt und vervielfacht. Heute bin ich froh, dass ich damals dem Provinzial nicht Nein gesagt habe.

Brot steht nicht nur im Mittelpunkt beim heutigen Wunder Jesu, sondern bei jeder heiligen Messe. Brot und Wein werden verwandelt in Leib und Blut Christi, wie Jesus es uns aufgetragen hat (vgl. Lukas 22,19). Die Gabenbereitung ist oft so unscheinbar. Wir singen ein Lied, die Ministrantinnen und Ministranten bringen alles Wichtige für die Messe, der Priester spricht ein erstes Gebet über Brot und Wein. Doch dieser Moment ist sehr wichtig. Denn wir sind eingeladen, gemeinsam mit den Gaben, die die Ministranten bringen, auch unsere „fünf Brote und zwei Fische“ (Matthäus 14,17) auf den Altar zu legen. Manchmal ist es wenig, manchmal sind wir unsicher und voller Angst.

Jesus lädt uns ein, unser Leben auf den Altar zu legen, denn er möchte es ergänzen, verwandeln, und vervielfachen. Ich lade euch alle ein, heute bei der Gabenbereitung besonders aufmerksam zu sein und zu überlegen: Was sind meine „fünf Brote und zwei Fische“, die ich heute auf den Altar legen will? Wofür bitte ich heute Gott, der die Liebe ist, damit er es ergänzen und verwandeln möge? Amen.

(2.8.2020, Pfarrkirche Fulpmes, verwendete Stelle aus der Heiligen Schrift: Jesaja 55,1-3 und Matthäus 14,13–21, Foto: Brotvermehrungskirche in Tabgha/Israel, commons.wikimedia.org/Berthold Werner)