Liebe Schwestern und Brüder in Christus!
Jeder kennt die Geschichte, als die Religionslehrerin den kleinen Maxi fragt: „Betet ihr eigentlich immer vor dem Essen?“ Und Maxi antwortet ganz cool: „Nein, meine Mama kocht eigentlich ganz gut.“
In der Lesung haben wir ein wunderbares Gebet von König Salomo gehört. Gott sagt zu Salomo: „Sprich eine Bitte aus, die ich dir gewähren soll!“ Und Salomo antwortet nach kurzem Überlegen: „Verleih deinem Knecht ein hörendes Herz, damit er dein Volk zu regieren und das Gute vom Bösen zu unterscheiden versteht!“ (1 Könige 3,9) Salomo hätte auch um Reichtum, militärische Siege und größere Macht bitten können. Doch seine Bitte an Gott sind ein hörendes Herz und die Unterscheidung zwischen gut und böse. Was für ein tiefes Gebet, das für jeden ist, der Verantwortung für andere Menschen trägt, sei es in der Politik, in der Firma, in der Kirche oder in der Familie.
(1) Was ist eigentlich beten? Passieren durch Gebet direkte Wunder? Greift Gott durch Gebet in die Welt ein und verändert etwas? Schmeckt durch das Tischgebet das Essen besser?
Das ist alles möglich, doch nicht das Zentrale. Gebet ist zuallererst Kommunikation mit Gott. Da Gott uns in Jesus als Mensch ganz nah gekommen ist, dürfen wir mit ihm wie mit einem Freund sprechen. Ich als Mensch wende mich an Gott, den Schöpfer allen Lebens, und will ihm begegnen. Für Gott ändert sich – direkt gesagt – nichts, ob ich bete oder nicht, aber für mich als Betender ändert sich ganz viel. Durch mein Gebet wird Gott nicht größer, denn er ist schon unendlich groß. Durch meine regelmäßige Begegnung mit Gott im Gebet werde ich verändert.
(2) Ja, Gebet verändert mich: Gebet ändert nicht die Wirklichkeit in dieser Welt, aber meinen Blick auf die Wirklichkeit. Es gibt weiterhin die täglichen Sorgen, doch ich gehe als betender Mensch anders mit diesen Sorgen um. Beten verändert auch meine Handlungen. Als betender Mensch gewinne ich an innerer Stärke, Zuversicht, Geduld, Offenheit für andere Menschen und Freiheit. Als betender Mensch orientiere ich mich bei Entscheidungen an Gott: Wie würde Jesus jetzt handeln? Als betender Mensch lasse ich mir Zeit vor großen Entscheidungen, nimm sie ins Gebet und lege sie somit Gott vor. Als betender Mensch versuche ich mit den Augen Gottes auf das Leben und die Wirklichkeit zu blicken.
(3) Es gibt viele Formen des Gebets: Segensgebete vor dem Essen, der Rosenkranz, ein Dankgebet vor dem Schlafengehen, geistliche Lieder, die heilige Messe, ein Kerzlein in der Kirche anzünden mit einem Stoßgebet, und viele Arten mehr. Im kontemplativen Gebet zum Beispiel verwende ich nicht viele Worte, sondern bin ein Hörender auf Gottes Stimme.
Es kommt nicht auf die Anzahl der Worte an, sondern auf meine innere Haltung. Beim Beten schenke ich Gott meine Zeit, ohne immer direkte Ergebnisse zu erwarten. Regelmäßiges Beten, egal ob es fünf Minuten oder eine halbe Stunde pro Tag sind, bringt mich Gott näher. Aus eigener Erfahrung kann ich sagen: Gott verändert dann dein Leben! Vielleicht in ganz kleinen Schritten, aber in eine sehr positive Richtung.
Hat der kleine Maxi, von dem ich eingangs gesprochen habe, richtig verstanden, was Gebet ist? Nicht ganz. Für ihn wird durch das Gebet das Essen der Mama besser. Gebet verbindet uns vielmehr mit Gott – auch das Gebet vor dem Essen – und stärkt unsere Dankbarkeit und lässt in uns Glaube, Hoffnung und Liebe wachsen. Amen.
(26.7.2020, Pfarrkirche Fulpmes, verwendete Stelle aus der Heiligen Schrift: 1 Könige 3,5.7-12, inspiriert vom Video „A cosa serve pregare“ von Don Alberto Ravagnani, englische Untertitel verfügbar, Fotocredit: Viktoria Hofmarcher)