Liebe Schwestern und Brüder in Christus!
Eine Gruppe junger Schnifner hat dieses neue Kreuz am ersten Juliwochenende hier auf der Roten Wand aufgerichtet, die für viele ein ganz besonderer Berg ist – auch für mich. Das alte Kreuz von 1966, das in einem schlechten Zustand war, wurde somit ersetzt. Welchen Sinn hat es eigentlich, dass auf fast jedem Berggipfel in unserem wunderbaren Land ein Kreuz steht? Warum tun sich Leute das an, unter größten Strapazen alle Einzelteile ohne Hubschrauberunterstützung heraufzutragen? Antworten darauf gibt es viele und man müsste jetzt jeden Einzelnen fragen, der bei der Errichtung dabei war.
Meine Antwort ist eine ganz einfache: Jedes Kreuz – und besonders ein Gipfelkreuz – ist eine Erinnerung an die die wichtigsten Gebote, die uns die Bibel für ein geglücktes Leben gibt: die Gottes- und Nächstenliebe, wie wir es gerade vorher gehört haben. Warum?
(1) Die zwei Balken eines Kreuzes symbolisieren für mich genau das. Da ist einmal der Längsbalken. Fest in der Erde verwurzelt, gibt er dem ganzen Konstrukt einen sicheren Halt. Zugleich zeigt er in den Himmel hinauf. Mit dem Himmel assoziieren wir den Wohnort Gottes. Die Frage nach Gott ist keine so leichte Frage, denn wir sehen ihn ja nicht. Sicherlich gibt es auch unter uns Menschen, die sich mit der Frage nach Gott sehr schwertun. Wie ist das mit Gott? „Gott“ ist für uns der Begriff für das Absolute, den Ursprung und den Schöpfer von alledem, was wir hier von der Roten Wand aus sehen. Die Frage, die wir uns alle stellen müssen, ist: Wer steht bei mir an erster Stelle? Was ordnet in meinem Leben alles? Ist es mein eigenes Ego, ist es das Geld und der Luxus, oder ist es der Gott voller Liebe und Barmherzigkeit, wie die Bibel ihn uns vorstellt? Der Längsbalken steht für mich für dieses Vertrauen zu Gott, der die Liebe ist, und die ganze Welt in seinen guten Händen hält.
(2) Dann gibt es noch den Querbalken, der für mich die Nächstenliebe symbolisiert, das Miteinander von Mensch zu Mensch. Im heutigen Evangelium hat es geheißen: „Liebe deinen Nächsten wie dich selbst“. Wenn wir zu Gott Vater sagen dürfen, dann wird jeder Mitmensch zu einem Bruder und einer Schwester für mich. Und dieses Miteinander besteht aus Geben und Empfangen. Es gibt Zeiten des Gebens und Zeiten, in denen ich vor allem Empfangender bin. Der Querbalken hat für mich noch eine zusätzliche Bedeutung: Für mich steht er für Begegnung auf Augenhöhe. Es ist gefährlich, sich über andere zu erheben und sie niederzudrücken. Begegnung auf Augenhöhe heißt, denen anderen ernst nehmen, so wie er oder sie ist. Das ist gerade dann wichtig, wenn die Person mir gegenüber ganz anders tickt wie ich selber!
Wir stehen an einem historischen Tag am Gipfel der Roten Wand. Dieses neue Gipfelkreuz und andere Kreuze in unserem Alltag erinnern uns an die wichtigsten Gebote aus der Bibel für ein geglücktes Leben: Es ist das Vertrauen auf Gott und die Liebe zu den Menschen um mich herum. Eigentlich ganz einfach, und doch so schwer. Amen.
(9.8.2020, Rote Wand/2704m, verwendete Stelle aus der Heiligen Schrift: Matthäus 22,35-40)