Liebe Schwestern und Brüder im Glauben!
In der Lesung haben wir von den verschiedenen Gaben, Talenten und Fähigkeiten gehört, die jeder von uns hat. Mir sind sofort die Hilfseinsätze wegen den Unmengen Schnee in den Sinn gekommen.
Wir in Wien haben fast nichts bemerkt, aber es gab in vielen Teilen Österreichs Katastrophenalarm, eingeschlossene Ortschaften und Lawinentote. Direkt neben meinem Elternhaus in Vorarlberg ist zum Beispiel ein Schneebrett heruntergekommen und hat einen Bagger samt dem Fahrer unter sich begraben. Augenzeugen konnte ihn zum Glück schnell befreien. Angst und Unsicherheit waren groß, es könnte sich ein Lawinenunglück wie vor 20 Jahren in Galtür mit vielen Toten wiederholen.
In dieser Notsituation haben viele, viele Menschen Übermenschliches geleistet. Jeder hat die eigenen Kompetenzen eingebracht: bei den Hilfskräften, in der Logistik oder in der Verwaltung. Tausende Menschen haben Tag und Nacht freiwillig in den Hilfsorganisationen mitgearbeitet und sich sogar extra Urlaub genommen. Gemeinsam wurde Großes geleistet. Gemeinsam wurde Schlimmeres verhindert.
Und jetzt ein Gegenbeispiel: In der Nähe meines Ordenshauses haben wir seit über zwei Jahren Baustelle. Irgendwie ist auf der Baustelle in den letzten Monaten nichts vorwärts gegangen, obwohl es schon im September hätte fertig werden sollen. Wahrscheinlich kennen es einige aus eigener Erfahrung: Auf Baustellen herrscht oft eine andere Mentalität als bei Hilfseinsätzen. Firmen schauen auf sich und den eigenen Profit, es fehlt an Absprachen und Koordination.
Das waren zwei komplett verschiedene Beispiele. Einmal die spürbare Einheit, zu der jeder das beiträgt, was er oder sie kann. Und dann die Haltung des „Jeder für sich“ und die fehlende innere Motivation.
Diese zwei Herangehensweisen lassen sich meiner Meinung nach auf die Kirche und jedes menschliche Miteinander übertragen. Gott hat uns geschaffen und jeder ist einzigartig mit eigenen Talenten und Fähigkeiten. Sie sind uns geschenkt, „damit sie anderen nützen“, wie es im Korintherbrief (vgl. 1 Kor 12,7) heißt.
Ein Zitat, das dem Heiligen Ignatius von Loyola zugeschrieben wird, begleitet mich schon länger. Es lautet:
Handle so, als ob alles von dir abhängt.
Vertraue so auf Gott, als ob alles von ihm abhängt.
Handle so, als ob alles von dir abhängt: Für mich bedeutet das, meine Talente zu nützen, weiter zu entfalten und sie zum Wohl meiner Mitmenschen einzusetzen. Dabei ist nicht der äußere, kurzfristige Erfolg entscheidend, sondern die Intention, die Liebe, mit der ich es tue.
Vertraue so auf Gott, als ob alles von ihm abhängt: Das bedeutet für mich genau das, was wir in der Wundererzählung Jesu bei der Hochzeit zu Kana gehört haben. Die Diener füllen die sechs großen Krüge mit Wasser. Sie tun das, was sie können. Und Gott tut dann seinen Teil. Er verwandelt unsere Gabe, unseren Einsatz. Aus Wasser wird Wein. Gott transformiert unsere Liebe, unseren Dienst.
Hier möchte ich noch etwas hinzufügen. Die Diener bereiteten 600 Liter Wasser vor; das ist sehr viel. Es kommt nicht darauf an, wieviel ich gebe. Es kommt darauf an, dass ich das gebe, was ich geben kann. Für den einen sind das 50 Liter, weil gerade alles schwerfällt und viele Sorgen da sind. Für die andere sind es 300 Liter. Gott verwandelt das, was ich gebe.
Handle so, als ob alles von dir abhängt. Vertraue so auf Gott, als ob alles von ihm abhängt. Das wünsche ich uns hier Versammelten und uns als Kirche insgesamt:
- Dass jeder die eigenen Talente und Fähigkeiten für das gemeinsame Wohl aller einsetzt.
- Dass wir als Einheit agieren, wie die Hilfskräfte bei den Katastropheneinsätzen im Schnee. Als Kirche akzeptieren wir oft das Anderssein des anderen nur schwer. Im gemeinsamen Blick auf Jesus, der Einheit schenkt, ist eine große Vielfalt möglich.
- Und als drittes: Dass wir immer darauf vertrauen, dass Gott mit uns ist und unsere Gabe verwandelt. Gott kann unseren Einsatz, unsere Talente ergänzen und etwas Großes daraus machen. In jeder heiligen Messe erleben wir das. Aus Brot und Wein wird sein Leib und sein Blut.
Handle so, als ob alles von dir abhängt. Vertraue so auf Gott, als ob alles von ihm abhängt. Das wünsche ich uns allen. Amen.
(2. Sonntag im Jahreskreis C, 20.1.2019, verwendete Stellen aus der Heiligen Schrift: 1 Korinther 12,4-11 und Johannes 2,1-11, gehalten bei die messe in St. Florian, Bild: unsplash.com-ornellabinni)