Ein kleines Stück die Welt verbessern

Volontariat im Don Bosco Magazin 01/17

Als „Don Bosco Volunteers“ engagieren sich junge Erwachsene in Don Bosco Projekten in Österreich und weltweit. Warum sie das machen und was ihr Einsatz ihnen selbst, den Menschen vor Ort und unserer Gesellschaft bringt.

Fünf Kinder stürmen über den betonierten Sportplatz auf mich zu, als ich gerade die Metalltür ins Jugendzentrum aufsperre. Mir um den Hals fallend ruft einer: „Pedro, dürfen wir Kicker spielen?“ Ein Mädchen hält mir stolz einen Zettel hin: „Ich habe den Anmeldeabschnitt für den Ausflug am Samstag dabei.“

Zehn Jahre sind seit diesem Erlebnis vergangen. In Tijuana (Mexiko) absolvierte ich direkt nach meinem Schulabschluss einen zwölfmonatigen Freiwilligendienst bei den Salesianern Don Boscos. In einer Millionenstadt, die geprägt ist von Armut, Drogen und Entwurzelung, war ich Spielkamerad, Nachhilfelehrer, Streitschlichter, Zuhörer und großer Bruder für die Kinder und Jugendlichen im Stadtteil. Gemeinsam mit den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern vor Ort ermöglichten wir den jungen Menschen und ihren Familien neue Zukunftsperspektiven. Geprägt durch die Erfahrung in Mexiko, entschloss ich mich für den Weg im Salesianerorden und begleite heute junge Menschen, die ein Volontariat in Don Bosco Projekten weltweit absolvieren.

Jugend für Jugend

Jahr für Jahr nützen in Deutschland und Österreich rund 85 junge Erwachsene zwischen 18 und 30 Jahren diese Möglichkeit. Viele machen es direkt nach der Matura, einige nach dem Ausbildungs- oder Studienabschluss. Die Freiwilligen wirken für zwölf Monate in Einrichtungen der Salesianer Don Boscos und der Don Bosco Schwestern in Afrika, Asien und Lateinamerika mit. In ihren Tätigkeitsbereich fallen schulische Nachhilfe und berufliche Ausbildung, Sport und Spiel, Kunst und Musik, handwerkliche Tätigkeiten und pädagogische Aufgaben, Feste und Ausflüge. Die Volontäre bringen ihre eigenen Stärken und Talente ein und sind eingebunden in ein Team aus Ordensleuten und Mitarbeitern verschiedener Berufsfelder.

Neben diesem vielschichtigen Aufgabenprofil ist das schlichte Da-Sein für junge Menschen das Entscheidende. Das geschieht, wenn eine Volontärin ein Mädchen tröstet, oder wenn ein Volontär ein Kind bei den Hausaufgaben individuell begleitet. Die jungen Freiwilligen ersetzen keine Mitarbeiter vor Ort, sondern sorgen für ein gewisses Mehr und eine wertvolle Ergänzung. Sie sind altersmäßig nah dran an den Lebensrealitäten der betreuten Kinder und Jugendlichen und verbringen viel Zeit mit ihnen. Wächst das Vertrauen, leisten sie einen wichtigen Beitrag der individuellen Förderung und nehmen eine Brückenfunktion zwischen den Kindern und den Verantwortlichen ein. Pater Thathireddy Vijay Bhaskar SDB, ein langjähriger Projektpartner aus Hyderabad (Indien), schätzt an den Volontären, dass Kinder in ihrer Gegenwart die Möglichkeit haben, „ihre Gefühle zu erkennen und auszudrücken“.

Ein Freiwilligendienst fern von der Heimat birgt auch Herausforderungen. Während des Jahres spüren viele eine Überforderung in der pädagogischen Arbeit, sind konfrontiert mit einer Armut und einem Leid, das sie so bisher nicht kannten, oder leiden unter einer gewissen Einsamkeit in einer ganz anderen Welt. Eine persönliche Begleitung hilft, an solchen Situationen wachsen zu können.

Schutzengel für andere

Das Volontariat hat bei den Salesianern Don Boscos und den Don Bosco Schwestern eine lange Tradition, die bis auf Don Bosco zurückgeht. Seine ersten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter bei den sonntäglichen Treffen auf den Plätzen Turins in den Jahren 1841–1846 waren Freiwillige. Don Boscos Mutter und viele Jugendliche halfen tatkräftig mit. So entwickelte sich aus dem zaghaften Beginn im Pinardischuppen in Turin-Valdocco das weltumspannende Jugendwerk Don Boscos.

Junge, engagierte Helfer schlossen sich zu sogenannten Bündnissen zusammen. Neben dem gemeinsamen Gebet überlegten sie, wie sie anderen Gutes tun können. Eine ihrer Aufgaben war es, sogenannte Schutzengel für Neuankömmlinge im Internat zu sein, sie einzuführen und zu begleiten, damit sie sich schnell zu Hause fühlen. Unter diesen Freiwilligen waren Persönlichkeiten wie der selige Michele Rua, der erste Nachfolger Don Boscos in der Ordensleitung, oder der heilige Domenico Savio, der schon mit 15 Jahren verstarb.

Egotrip oder Voluntourismus?

Wenig zu tun hat ein Don Bosco Freiwilligeneinsatz mit Formen des Voluntourismus, der massiv in der Kritik steht. Dabei vermitteln Agenturen mehrwöchige Kurzaufenthalte in afrikanischen Waisenhäusern. Außer einem aufgepeppten Lebenslauf und Likes auf Facebook bleibt wenig über. Die Don Bosco Entsendeorganisationen achten auf Nachhaltigkeit und Qualität. Sie arbeiten mit langjährigen Projektpartnern zusammen und sichern die Rahmenbedingungen in puncto Aufgaben, Lebensumfeld und Begleitung ab. Jahreseinsätze sorgen für eine kontinuierliche Präsenz der Freiwilligen vor Ort.

Festzuhalten ist aber, dass Freiwilligeneinsätze derzeit meist eine Einbahnstraße von Industriestaaten in Länder des globalen Südens sind. Sogenannte Reverse-Programme wollen auch jungen Menschen aus Indien, Kamerun oder Ecuador ermöglichen, einen Freiwilligendienst in Europa zu leisten, entstehen aber erst langsam.

Zentral für die Qualität der Freiwilligeneinsätze sind die Vorbereitung und die Begleitung während und nach dem Einsatz. Die Entsendeorganisationen in Deutschland und Österreich können dabei auf eine mehr als 20-jährige Erfahrung in diesem Feld zurückgreifen. In der Vorbereitung werden Praxisnähe und Professionalität durch die Präsenz von kürzlich zurückgekehrten Volontären und Hauptamtlichen garantiert. Die Inhalte sind auf den Dienst in Don Bosco Projekten in anderen Kulturkreisen abgestimmt. Viel Wert wird auf die Persönlichkeitsentwicklung der teilnehmenden jungen Erwachsenen gelegt. Eine Mutter meinte beim Sendungsgottesdienst am Ende der Vorbereitungszeit: „Das Volontariat hat sich für meinen Sohn schon vor dem Abflug gelohnt. Er ist allein in der Vorbereitung ungemein gereift.“

Mehr empfangen als geben

Volontariat im Sinne Don Boscos ist gelebte Solidarität und Begegnung auf Augenhöhe. Für viele endet die Volontariatserfahrung nicht mit dem Rückflug nach Hause. Sie engagieren sich in ihrem Umfeld weiterhin für das Anliegen Don Boscos und sind Botschafter für Bildung, Gerechtigkeit und Frieden und Ausdruck einer jungen, dynamischen Kirche.

Als ich nach zwölf Monaten von Mexiko nach Hause zurückkehrte, war mein stärkster Gedanke: „Ich habe viel mehr empfangen, als ich gegeben habe.“ Bei einzelnen Kindern waren die Früchte der pädagogischen Arbeit sichtbar, andere Wirkungen habe ich nie erfahren. Ich teilte dort das Leben mit den Menschen und gab immer mein Bestes. Mein Blick auf das Leben hat sich ungemein erweitert.

Aus der mehrjährigen Begleitung der Freiwilligen weiß ich, dass viele eine ganz ähnliche Erfahrung machen. Sie erleben sich als Lernende und als Beschenkte. Eine der Lernerfahrungen ist, dass Freiwilligenarbeit eine Lebenseinstellung ist. Zu geben, ohne immer etwas zurückzufordern – und das über Sprach- und Ländergrenzen hinweg –, das ist der Samen für eine schönere und friedlichere Welt.

(Erschienen im Jänner 2017 im Don Bosco Magazin)